Du darfst nicht sterben!
- Jan Honegger
- 23. März 2024
- 3 Min. Lesezeit
Aktualisiert: 25. März 2024
Warnung: Der folgende Text ist absichtlich sehr drastisch formuliert, um eine intensive emotionale Reaktion hervorzurufen und zum Nachdenken anzuregen.
Im Jahr 2024 stellt sich die Frage: Ist Sterben immer noch ein Tabu?
Manchmal habe ich den Eindruck, dass dem so ist. Während meiner Tätigkeit
in der Pflege habe ich zahlreiche Bewohner in Alters- und Pflegeheimen
betreut, die sich in einem katastrophalen Gesundheitszustand befanden. Der
Begriff "Gesundheitszustand" in diesem Kontext ist geradezu ironisch. Was ist daran noch gesund? Ich habe viele Menschen gefragt, ob sie sich vorstellen könnten, in einem Zustand schwerer Pflegebedürftigkeit weiterzuleben. Ich spreche hier von Situationen, in denen Selbstständigkeit beim Essen und Trinken verloren geht, Nahrung möglicherweise nur noch püriert zu sich genommen werden kann, Kommunikation in jeglicher Form unmöglich wird, Inkontinenz eintritt und das eigenständige Aufstehen nicht mehr möglich ist. Bisher hat niemand meine Frage mit "Ja" beantworten können.
Trotzdem werden Menschen am Leben erhalten, oft zwangsweise. Manchmal 2, 5 oder sogar 10 Jahre in einem Zustand der in meinen Augen absolut keine Lebensqualität mehr beinhaltet. Dies geschieht nicht nur, wenn jemand an lebenserhaltenden Maschinen hängt. Schon allein das Zuführen von Nahrung, ohne zu wissen, ob die Person dies wünscht oder genießt und wann sie genug hat, betrachte ich als Zwangsernährung. Ebenso werden sie aus ähnlichen
Gründen zwangsmedikamentiert. Natürlich geschieht dies im besten Wissen und Gewissen der Pflegenden, Ärzte und Angehörigen, um mögliches Leiden zu verhindern. Aber was ist das für ein Leben, wenn nur noch die äußere Hülle existiert? Natürlich erfordern die Gesetze dies. Es ist nicht vertretbar, einen schwer kranken Menschen sich selbst zu überlassen, auch wenn man persönlich die Situation als unerträglich empfindet.
Selbst bei hochgradig demenzkranken Menschen, welche zwar noch herumlaufen können, aber immer wieder unverständliche Dinge sagen, alles in den Mund stecken, was sie erreichen können, sich entkleiden und in der Öffentlichkeit urinieren, kann man von aussen absolut nicht beurteilen, wie sie zum Thema Tod stehen. Diese Menschen hatten einst Familien, Berufe und Hobbys, doch heute kennen sie nicht einmal ihren eigenen Namen. Die
Lebenserwartung steigt zwar, aber gleichzeitig steigt auch die Zahl der Pflegefälle. Es gibt sicherlich viele fitte ältere Menschen, aber die Zahl der Pflegebedürftigen nimmt von Jahr zu Jahr zu.
Die enormen Kosten spielen dabei überhaupt keine Rolle. Menschen mit einem hohen Pflegebedarf zahlen schnell zwischen 8'000.- und 12'000.- CHF pro Monat für Pflege und Betreuung. Ein Teil dieser Kosten wird vom Staat übernommen, was ich in der Schweiz sehr schätze. Trotz der hohen Kosten erhält man Unterstützung. Allerdings wird das gesamte Vermögen einer Person aufgebraucht, und letztendlich profitieren viele andere davon. Die
betroffene Person kann sich nicht mehr wehren, ob sie das möchte oder nicht. Und dazu kommt, dass viele auch keine Angehörigen mehr haben, welche sich für sie einsetzen.
Daher ist es von entscheidender Bedeutung, sich mit dem Thema Sterben auseinanderzusetzen. Freunde und Familie sollten darüber informiert sein, welche Wünsche man im Falle einer schweren Krankheit hat und unter welchen Umständen lebensverlängernde Maßnahmen angewendet werden sollen und wann nicht. Es ist auch ratsam, bereits in jungen Jahren eine Patientenverfügung zu verfassen und sicher aufzubewahren. Denn selbst ein plötzlicher Schlaganfall oder Unfall kann dazu führen, dass man zum Pflegefall wird. In der Schweiz sind die Gesetze zur Sterbehilfe zwar sehr fortschrittlich, jedoch stoßen sie an ihre Grenzen, wenn es um bestimmte Krankheitsstadien geht, die eine Umsetzung unmöglich machen.
Am Ende bleibt eine drängende Frage: Wie können wir als Gesellschaft sicherstellen, dass wir Menschen am Ende ihres Lebens nicht nur am Leben erhalten, sondern auch ihre Würde und ihre individuellen Wünsche respektieren? Es ist an der Zeit, dass wir uns ernsthaft mit dieser Thematik auseinandersetzen und gemeinsam Lösungen finden, die den Bedürfnissen und dem Selbstbestimmungsrecht jedes Einzelnen gerecht werden. Nur so können wir sicherstellen, dass das Sterben nicht länger ein Tabu ist, sondern als natürlicher Teil des Lebens akzeptiert und respektiert wird.




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